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Rezension:Hieronymus Bosch. Das vollständige Werk (Gebundene Ausgabe)

"Bosch gehört zu den sehr wenigen Malern, die einen magischen Blick hatten- er war in Wirklichkeit mehr als ein Maler! Er sah durch die Welt der Erscheinungen, machte sie transparent und zeigte sie uns so wie sie ursprünglich war." (Henry Miller, S.98)

Gemälde des Renaissancemalers Hieronymus Bosch (geb. um 1450- gest. 1516) sah ich erstmals als Studentin in einem Kunstbuch und war sogleich sehr angetan von dessen unglaublich fantasievollen Bildern. Originale konnte ich erst später bewundern, zunächst in Paris, dann in Brügge. Neben Dürer, Raffael, Botticelli und Leonardo da Vinci zählte Bosch fortan zu meinen Lieblingsmalern. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Ein Buch mit seinen Gemälden, zudem einen Roman, der seiner Person gewidmet ist, habe ich auf Amazon vor langer Zeit rezensiert, es aber nicht zu hoffen gewagt, dass in diesem Jahr ein Prachtband mit dem vollständigen Werk dieses begnadeten Künstlers gewissermaßen zu Weihnachten auf dem Buchmarkt präsentiert wird. Der TASCHEN-Verlag sorgt im Bereich solcher Großprojekte immer mal wieder für wirkliche Überraschungen.

Ich sage es gleich vorab, obschon ich eine nicht geringe Anzahl sehr guter Kunstbände in meiner Bibliothek beherberge, zählt dieser Neuzugang zu den fünf besten Kunstbüchern, die ich besitze.

Nachdem ich das sehr bemerkenswerte Buch des Autors Stefan Fischer einem geschmackvoll gestalteten Schutzbehältnis entnommen hatte und zunächst einmal die darin enthaltene Bilderfülle studierte, war ich hingerissen und bin es noch immer. Dieser Prachtband ist hochwertig verarbeitet, die Bilder und Bildteilausschnitte bringen die Welt des Hieronymus Bosch dem Leser und Betrachter sehr, sehr nahe. Dabei sind die Texte, die die Bilderwelt begleiten, intellektuell auf hohem Niveau und anschaulich zugleich geschrieben. Jedes Kapitel beginnt mit einer Sentenz, die dem Leser in wenigen Worten den fantasiebegabten Maler näher bringen.

Ein Beispiel: "Wovon träumte Bosch? Von der Passion Christi, von der Bosheit, der Stupidität der Schergen, von der Eitelkeit und Vergänglichkeit des Irdischen, von der Hölle mit ihren Folterinstrumenten, von der Versuchung, der die heiligen Männer nur wenig Widerstand entgegenzusetzen vermögen." (Max Jakob Friedländer, 1941)

Das Buch ist in folgende Kapitel untergliedert: 
Bosch Perspektiven 
I. Familiäre Anfänge und erste Werke 1474-1487 
II. Sozialer und künstlerischer Aufstieg 1488-1501 
II. Im Labyrinth der Bilder. Die Versuchung des heiligen Antonius um 1502 
IV. Hochzeitskunst: Der Garten der Lüste um 1503 
V. Kunst für den König: Das Jüngste Gericht um 1506 
VI. Exemplum docet. Späte Werke 1504-1516 
Epilog: Rätsel als Vermächtnis 
Katalog der Gemälde 
Katalog der Zeichnungen 
Quellen zum Leben und Werk
Literaturverzeichnis Register 

Zunächst erwähnt Fischer die Fehlinterpretationen im Hinblick auf diesen Künstler, der für viele noch heute als der Maler der Träume, auch der Alpträume, ja als Fantast gilt. Will man das Besondere von Boschs Kunst begreifen, macht es Sinn innerhalb der Bildtradition und Kunstkonzepte des Spätmittelalters die Begriffe des Grotesken und der Drolerie zu bemühen. Wie Fischer darlegt, hat Bosch die Tradition der Drolerien aufgegriffen und von der marginalen Bildkunst der Handschriften, Bauplastik sowie Schnitzerei in die Tafelmalerei überführt. Dabei machte Bosch das moralsatirisch Groteske zu seinem Markenzeichen und nicht nur das, er trug zudem dazu bei, dass es sich als dauerhafte Kunstgattung zu etablieren vermochte. Unabhängig davon, wird auch Boschs Bedeutung für die Entwicklung der Landschafts- Genremalerei nicht unerwähnt gelassen. Dieser grandiose Prachtband möchte neben der Lebenswirklichkeit Boschs und der Interpretation seiner Werke speziell einen Einblick in die Werksarbeit, konkret in den materiellen und geistigen Schaffensprozess geben. Aus diesem Grunde auch werden Bildvergleiche nicht bloß innerhalb des Mediums der Tafelmalerei realisiert.

Ich möchte die Lebensgeschichte von Hieronymus Bosch an dieser Stelle nicht nachzeichnen, Kurzinformationen kann sich jeder im Internet beschaffen. Aus der Fülle von Informationen im Buch zu Boschs Leben einige wenige zu vermitteln, würde dem komplexen Buchinhalt nicht gerecht.

Interessanterweise sind erste Werke oder künstlerische Aktivitäten erst aus einer Zeit nachweisbar als Bosch über 30 Jahre alt war. Eines der Frühwerke ist "Der heilige Hieronymus", das man im Buch sehr genau studieren kann. Es wird wie alle weiteren Werke sehr gut erklärt. Weshalb Bosch in den elitären und klerikalen inneren Kreis der sogenannten geschworenen Brüder der Liebfrauenbruderschaft von `s –Hertogenbusch aufgenommen wurde, wird näher erläutert. Dann lernt man seinen " Johannes auf Patmos" kennen. Es handelt sich dabei um ein Flügelgemälde, das den Heiligen bei der Niederschrift der Offenbarung (Apokalypse) während seiner Verbannung auf der Insel Patmos in der Ägäis zeigt. Auch hier wird man sehr gut mit dem Bild vertraut gemacht und taucht allmählich in die Welt des Malers ein, dessen Physiognomien in einer gleichermaßen durch physiognomischen Traktate als auch durch die Bildkunst breit gestützten spätmittelalterlichen Tradition stehen.

Es führt zu weit alle Werke im Rahmen der Rezension zu streifen. Nennen allerdings möchte ich Boschs Triptychon "Die Versuchung des Heiligen Antonius", ein Werk, das ganz ausgezeichnet erläutert und vielfach abgebildet wird. Es zeigt den heiligen Antonius auf den drei Innentafeln von links nach rechts in seinen drei wichtigsten Lebensstadien. Die vielen Figuren auf dem Triptychon finde ich faszinierend. Man kann sich in diesem Werk, wie in vielen anderen von Bosch Stunden lang verlieren. In diesen Bildern zu lesen, ist spannender als in so manchem durchaus guten Buch. Selbst in den kühnsten Träumen entstehen solche Szenen nicht, von denen es ungezählte auf einer im Verhältnis kleinen Fläche in Boschs Werken zu bestaunen gibt.

Sein berühmtestes Werk "Der Garten der Lüste" ist großformatig aufklappbar zu bewundern. Die Bilderwelt wird ausführlich über viele Seiten hinweg erläutert. Zudem werden Details aus dem Werk in Teilausschnitten gezeigt. Das Paradies mit den Sinnen wahrzunehmen, ermöglicht Boschs "Garten der Lüste" durch die Pracht der Buntfarben, so Fischer, die bemerkenswert hell und frisch sind.

Geradezu erschreckend sind die Details aus dem Werk "Das jüngste Gericht". Dabei ist die Höllendarstellung auf der Mitteltafel in bestimmte Bereiche gegliedert. Alles ziemlich erschreckend. Doch das Werk schlägt den Betrachter in Bann und läutert ihn möglicherweise.

Auch die Spätwerke faszinieren. Was bleibt, ist sich in die Texte zu vertiefen, speziell auch im Katalog der Gemälde. Besagter Katalog gliedert sich in zwei Teile: Er nimmt seinen Anfang mit dem von Fischer als eigenhändige Werke eingestuften Werke, gefolgt von Gemälden der Werkstatt, sowie der Nachfolge, wenn deren Zuschreibung in der Forschung noch umstritten ist, (239). Alle Werke sind abgebildet und werden genau erklärt, auch der "Gaukler", den ich bislang für ein Werk Bosch hielt, der jedoch von einem Werkstattmitarbeiter oder Nachfolger stammt.

Ein wunderbares Buch, das ich nicht mehr missen möchte. Mit diesen Bilderwelten werde ich gewiss noch Jahre befasst sein.

Überaus empfehlenswert.

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