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Rezensionen: Kunst der Moderne 1800-1945 im Städel Museum (Broschiert)

In diesem Kunstband werden 200 bedeutende Werke aus der Sammlung des Städel Museums Frankfurt und hier im Bereich des 19. und frühen 20. Jahrhunderts vorgestellt und kommentiert.

Im Vorwort erfährt man, dass Goethe dem reichen Kaufmann und Kunstmäzen Johann Friedrich Städel, der eine Generation älter war als er, verbunden gewesen sei. Wie Goethe berichtet, vermachte Städel sein gesamtes Vermögen und seine Kunstsammlung der Öffentlichkeit zur Gründung des Städelschen Kunstinstitutes.

Wie man weiter liest, kamen viele der in der heutigen Sammlung vereinten Werke als Schenkung an das Haus, übrigens auch Tischbeins "Goethe in der römischen Campagna". 1899 dann gründete man den "Städelschen Museums-Verein". Es führt zu weit hier den weiteren Verlauf des Hauses wiederzugeben. Den kann man sehr gut im Buch nachlesen und erfährt dort auch, dass bis heute diese Sammlung des Städelmuseums im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse auf vier Pfeilern beruht: den Werken des Museums-Vereins, denjenigen der Städtischen Galerie als auch den der Stiftung von selbsterworbenen Werken und einigen wenigen Dauerleigaben.

Gemeinsam mit dem Erscheinungsbild des Städel Museums entwickelte die Peter Schmidt Group das Gestaltungskonzept für die Reihe der Sammlungspublikationen.

Im vorliegenden Buch schließlich hat man dann Gelegenheit, sich zunächst mit einem Essay von Felix Krämer zu befassen, das den Titel "Durch Wandel lebend- Die Kunst der Moderne" trägt. Hier erhält man einen guten historischen Überblick, der mit der Reflexion der Neupräsentation der über 200 Jahre gewachsenen Sammlung endet.

In der Folge kann man 11 Essays namhafter Persönlichkeiten zu ausgewählten Bildern lesen. Hierbei handelt es sich um:

Eva Demski- Die verkleidete Frau

Neo Rauch- Meeresungeheuer und die Schaumgeburten

Wilhelm Genzanino- Das Schönste am Fluss sind seine Ränder

Martin Mosebach- Stillleben mit Jagdaufseher

Roger Willemsen- Das Kind mit dem Knacks

Ulla Hahn - Die Sehnsucht wachhalten

Wolf Singer- Der Körper in der Kunst

Durs Grünbein- Der singt, ist nicht immer glücklich

Katharina Hacker- Die Größe der Katze

Peter André Alt- Fantasie der Sterblichkeit

Mathias Döpfner- Don`t play the saxophone. Let it play you.

Zudem hat man die Chance, sich in eine Interview mit Helmut Schmidt zu vertiefen, dass den Titel "Geniale Einfachheit: Gespräch über seine Liebe zum Expressionismus" trägt.

Den Essays und dem Interview sind Kurzinformationen über die Autoren beigegeben. Da ich gestern im Städel den Vortrag Roger Willemsens über "Bewusstsein und Patina" hörte, möchte ich kurz zu seinem Essay etwas sagen, in dem er sich zu den Fotos von Lewis Carroll äußert und hier auch zu "Alexandra "Xie" Kitchen als chinesischer Tea-Merchant (on Duty)" 1873, etwas schreibt, und festhält, dass die Fotos von Carroll zu einem Zeitpunkt einfrieren, der noch nicht von der Nemesis ereilt sei, aber dennoch blühten diese Mädchenbilder nicht. Willemsen fragt: "Schauen diese Kinder nicht aus den Bildern wie Wissende? Wie Opfer gar? War Carroll bedenklich, Angst einflößend, wie man aus dem Ernst der Mimik schließen wollte? Wohl kaum. Die Belichtungszeiten der Fotos lagen zwischen 45 Sekunden im Sommer und eineinhalb Minuten im Winter. Solange steht kein Lächeln, nicht einmal im Frühling des Lebens," (Zitat: S. 35).

Mit großer Begeisterung habe ich das Interview, das man seitens des Städel Museums mit dem Altbundeskanzler Helmut Schmidt führte, gelesen. Ich wusste bislang nicht welch großer Kunstfreund Helmut Schmidt ist. Er liebt die "geniale Einfachheit Noldes", das kann ich sehr gut nachvollziehen.

Im Anschluss an die Essays lernt man dann die eingangs erwähnten 200 Gemälde visuell kennen. Eingebunden sind in die Präsentation aufschlussreiche Essays: Die Sehnsucht nach dem Süden, d. h. die Malerei am Beginn der Moderne, der Realismus und Idealismus als Spielarten der Moderne, die Malerei des Impressionismus, vom Symbolismus zum Surrealismus, die Künstlergruppe Brücke, die Kunst Max Beckmanns und der Aufbruch zur Avantgarde.

Da ich im Laufe meines bisherigen Lebens schon unzählige Male im Städel-Museum war, weil es direkt vor meine Haustür liegt, kenne ich viele der Bilder sehr genau, darunter Max Liebermann "Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus", ein frühes Schlüsselwerk des Malers, das ich des Motivs und der Aussage wegen sehr schätze.

Feiningers "Dorfteich von Gelmroda" gehört zu meinen Lieblingsbildern, natürlich auch Tischbeins "Goethe in der römischen Campagna"(allerdings nur aufgrund der Darstellung von Goethe, dem meine ganz große Bewunderung gilt). Renoirs "Nach dem Mittagessen" wird sehr schön beschrieben, das gilt auch für Degas "Die Orchestermusiker" und das bezaubernde Gemälde Renoirs mit dem Titel "Lesendes Mädchen". Eine Kopie davon hängt übrigens in Renoirs Villa in Südfrankfreich. Eine Tatsache, die mich nachdenklich stimmte, als ich sie dort sah und die mir klar machte, dass wirkliche Kunst immer allen gehört und insofern nach dem Prozess des Schaffens ihren Weg zu einem der großen Museen gehen muss. Es ist ihre Bestimmung.
Dieser Katalo

g ist ein wirklicher Genuss. Ich werde am Sonntag erneut das Städel Museum besuchen, um mich wie so oft an tristen Herbst- oder Wintersonntagen vor das 68x 200 cm große Gemälde von Charles Francois Daubigny mit dem Titel "Französischer Obstgarten zur Erntezeit" zu setzen, das das Städel Museum bereits 1909 erworben hat, um mich in diesen Garten hinzuträumen, der in meiner Fantasie in St. Paul de Vence gelegen ist, dem schönsten Ort, den ich kenne. Es ist übrigens der Ort, wo Chagall seine letzte Ruhe gefunden hat.
Empfehlenswert.

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Rezension:Marc Chagall - Dessins pour la Bible: Bilder für die Bibel - Drawings for the Bible (Gebundene Ausgabe)

Dieses Kunstbuch enthält Werke des Künstlers Marc Chagall. Dem umfangreichen, in drei Sprachen (Deutsch, Englisch und Französisch) verfassten Vorwort ist zu entnehmen, dass viele der Werke dieses Künstlers von biblischen Texten angeregt worden sind.

Mit diesen Werken beschäftigt sich eine neue Studie. Einige der Werke lernt man in dem vorliegenden Buch kennen. Aus Briefen geht hervor, dass Chagalls Interesse am Thema der Bibel bereits 1925/1926 seinen Anfang nahm, demnach bereits vor der Arbeit der Bibel für Vollard und vor seiner Reise nach Palästina.

Diese Werke sind oft in Schwarz-Weiß von ihm geschaffen worden und unterscheiden sich insofern von den farbenfrohen Bildern, die man ansonsten von Chagall kennt.

Auf den letzten Seiten des Buches sind wiederum dreisprachig die Textstellen der Bibel abgedruckt, auf die sich die Bilder beziehen.

Es hat mir Freude bereitet, die alten Bibelgeschichten zu lesen, die ich fast schon vergessen hatte und mich anschließend auf Chagalls künstlerische Interpretationen einzulassen. Chagalls Bilder transportieren Emotionen, die hinter den Worten der Bibel spürbar sind und halten einen bestimmten emotionalen Zeitpunkt im Bild für die Ewigkeit fest, so etwa im Bild mit dem Titel "Lots Frau". Irritierend dabei ist, dass nicht Lots Frau, sondern Lot sich umwendet und auf mich den Anschein erweckt, dass er ihr nicht beigestanden hat als sie den Untergang von Sodom und Gomorra entsetzt mit eigenen Augen sah, all das Leid....

Auch alle anderen Bilder halten Momente fest, die man beim Lesen des Textes nicht unbedingt im Auge hat. So sieht man bei dem Bild "Rückkehr Davids nach dem Sieg über Goliath" König Saul und David alles andere als siegestrunken, sieht sie in Demutshaltung, während das Volk tanzt und musiziert. Man spürt, dass die beiden der erschlagenen Feinde gedenken. Ein Grund zum Feiern ist das gewiss nicht.

Die Bilder zum Thema "Das Lied der Lieder" gefallen mir am besten, vielleicht weil Chagall Liebesmomente auf subtile Art in Bildern festhalten kann. Liebe ist nicht vergänglich, sie erlebt stets nur Transformationen. Das stellt die Botschaft der Bilder dar und ist eventuell auch die Botschaft der Bibel überhaupt.
Empfehlenswert.

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Rezension:Einfach schön! (Gebundene Ausgabe)

"Einfach schön!" ist ein Buch für Menschen, die dem Anblick von schönen Dingen viel abgewinnen können. Ich zähle zu diesem Personenkreis und benötige für mein seelisches Wohlbefinden besagten Anblick wie die Luft zum Leben. Schönheit ist für mich stets Ausdruck von innerer Harmonie, ein Ausdruck dafür, dass alles stimmt: das Licht, die Komposition, die Momente, die Zeit, die Farben und man im Grunde nur noch staunen kann.

Das vorliegende Buch enthält eine Fülle schöner Momentaufnahmen, realisiert von unterschiedlichen Fotografen von National Geografic. Die Fotos sind den Kapiteln: Licht, Komposition, Momente, Zeit, Farben, Staunen zugeordnet. Dabei hat man die Gelegenheit am Ende des Bildbandes, sich im Verzeichnis der Fotografen einen namentlichen Überblick über all die Fotokünstler zu verschaffen.

Den Kapiteln ist jeweils ein kurzer einführender Text vorangestellt, beginnend mit dem Licht, ohne das Fotografie überhaupt nicht möglich ist, weil es ohne dieses kein Sehen, keine Farben, auch keine Kunst in der Fotografie gäbe. In der jeweiligen Fotoschau sind immer wieder Sentenzen zu den einzelnen Themen eingebunden. Sehr gut gefallen mir beim Thema Licht die Worte Ralph Waldo Emersons, die ich hier zitieren möchte: "Ob von innen heraus oder von hinten, das Licht fällt durch uns auf die Dinge und macht uns bewusst, dass wir nichts sind aber das Licht alles", (Zitat: S.65).

Besonders berührt bin ich von dem Foto auf dem ein junges nigerianisches Mädchen in die Kamera lächelt. Durch das Sonnenlicht erstrahlen die Augen des Kindes in einer Weise, dass sie selbst zu Lichtquellen werden. Auf einem weiteren Foto lächelt ein junger Mann im dinarischen Gebirge in die Kamera. Auch hier wird das Sonnenlicht durch das Lächeln verstärkt. Lächeln und Licht bilden eine Einheit. Durch ein Lächeln können wir selbst für andere zur Lichtquelle werden. Das machen die Bilder deutlich.

Die Landschaften im Sonnenlicht sehen sofort schöner aus, auch vermeintlich Hässliches wird durch Licht schöner und ein dunkler Keller oder ein Pharaonengrab beginnt zu leben, wenn sie Licht zugeführt bekommen.

Es ist natürlich unmöglich im Rahmen einer Rezension alle Bilder zu beschreiben. Ich versuche das ein oder andere hervorzuheben, nicht um zu sagen, diese sind schöner als die anderen, sondern um Neugierde auf die anderen Bilder, die ebenso schön sind, zu wecken.

"Bildkomposition" sei nichts anderes als das bewusste Arrangieren der in einem gewählten Rahmen enthaltenen Elemente. Dadurch ließen sich vertraute Gegenstände in abstrakte Muster verwandeln oder die Aufmerksamkeit im Durcheinander einer chaotischen Szene auf einen bestimmten Aspekt lenken, (vgl.: 122).

Mein Herz begann schneller zu schlagen als ich die Komposition "Mexikanischer Goldmohn umsäumt die Überreste eines Cylinddropuntia-Kaktus" sah. Dieses Bild macht klar, dass eine gelungene Komposition Freude beim Betrachter auslöst,auch ein Lächeln ins Gesicht zaubert und so ergeht es mir bei Anblick aller weiteren Fotos, die durch ihre Komposition einen schönen Ausdruck erhalten.

"Momente" sind in der Fotografie jener präziser Augenblick, indem alle Element in einem fesselnden Bild zusammenfinden, (vgl.: S. 210). Liebe, Zärtlichkeit und Sehnsucht drückt sich durch das Foto "Die Löwenmutter und ihr Junges blicken über die sonnenbeschienenen Gräser in die Ferne hinweg aus". Vertrauen und Liebe zeigt sich in dem Bild "Ein Mädchen trägt eine Miniaturversion des Erntekorbes ihrer Großmutter auf dem Rücken". Die kämpfenden Leopardenweibchen sehen in dem gezeigten Moment wie Liebende aus. Ein Foto, das nachdenklich stimmt.

Was bedeutet Zeit in der Fotografie eigentlich? Über dieses Gestaltungsmittel in der Fotografie liest man ebenfalls Aufschlussreiches, zusammengefasst in dem Satz: "Wären Fotos wie Noten, ließe sie der Fluss der Zeit zu einer Melodie werden, (Zitat: S.285). "Die Gräser im Buffalo Gap National Grasland neigen sich im Wind" lassen diese Melodie erahnen.

Dann schließlich die Farben: "Ein Fotograf kann die Farbpalette dazu nutzen, um zu komponieren, zu erhellen, anzuregen und zu beglücken," (Zitat: S. 352).

Stimmt. Das erkennt man besonders bei der Holzschaukel, die irgendwo in Schottland von einem Baum herabhängt, seit ewigen Zeiten. Die Narzissen blühen, im Jahre 1510, 1610, 1710 und immer. Irgendwann im April blühen sie, während der Baumstamm jedes Jahrhundert an Umfang zunimmt und die Schaukelnden immer sicherer in die Lüfte trägt, wo sie sich des Lichtes lächelnd erfreuen können und für alle hörbar rufen: "Einfach schön!".

Doch dann gibt es noch dieses Staunen in der Fotografie. Es zeigt sich am intensivsten bei dem lachenden Mädchen, auf dessen Stirn ein bunter Schmetterling sitzt. Auf diesem Bild kommen m.E. alle Kriterien zusammen. Dieses Kind sehe ich vor meinem geistigen Auge auf der Schaukel und mir fällt dazu nur ein Wort ein: Glück.
Empfehlenswert.

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Rezensionen:Hundertwasser: Die Kunst des grünen Weges. The Art of the Green Path (Gebundene Ausgabe)

1998 habe ich in Darmstadt die große Hundertwasser-Ausstellung auf der Mathildenhöhe gesehen und war überwältigt vom Können dieses begnadeten Künstlers. Die Farben, die Formen und die Fantasie, die auf seinen Bildern zum Ausdruck kommen, faszinierten mich damals wie heute.

Das vorliegende Buch enthält eine Vielzahl von Ablichtungen seiner Kunstwerke, enthält auch Fotos und erklärende Texte, darunter sehr aufschlussreiche Gedanken von Hundertwasser selbst.

Nach einem Vorwort des Direktors von "Kunst Haus Wien", Franz A. Patay, schreibt Andreas Hirsch in seinem Essay "Die Kunst des grünen Weges - Hundertwassers Renaissance", dass nun die Zeit reif sei für die "Wiedergeburt" dieses Künstlers. Hundertwasser, der im Jahre 2000 starb, galt als Anwalt für einen Friedensschluss mit der Natur. Dieser Mensch hat seine Ideen und Visionen nicht nur gelebt haben, sondern er hat konkrete Lösungen vorgeschlagen und umgesetzt. Diese Gedanken werden von der heutigen Wissenschaft in ihrer Weitsicht und Gültigkeit bescheinigt. Viele von Hundertwassers Projekten zur Wiederbegrünung der Stadt durch Dachgärten und aus den Fenstern wachsende Bäume, seine Konzepte zur Wiederherstellung natürlicher Kreisläufe und seine Aktionen zur Ermächtigung des Einzelnen zu ökologisch bewusstem Handeln finden sich heute in Trends wie "vertical gardening" oder "guerrilla gardening" wieder, (vgl.: S.10).


Für Hundertwasser war der Baum der Bruder der Menschen. Im Buch erfährt man aber nicht nur Wissenswertes über seine Naturverbundenheit, sondern einfach alles über sein Leben und sein Werk. Die Texte sind in deutscher und englischer Sprache abgedruckt. Der Künstler Ernst Fuchs schreibt, sich zurückerinnernd, wie der junge Maler Hundertwasser (mit bürgerlichem Namen hieß er Friedrich Stowasser) auf ihn wirkte. Hier liest man u.a.: "Er hatte etwas Schlotterndes, Schlenkerndes in allen Bewegungen und in seinen Augen den sanften Glanz des unbedingten Glaubens an eine wunderbare Kunst, die alle verstehen können. Und so sprach er auch von seiner Malerei, wie der Tor vom Paradies."(Zitat. S.33)


Man liest von seinen Ausstellungen, von seinen Aufenthalten im europäischen Ausland, aber auch von seinem Jahr, das er in Japan (1961) verbrachte. Nicht ausgespart bleiben die "Hundertwasser Happenings", wie etwa seine "Nacktrede für das Anrecht auf die dritte Haut" und sein Film "Hundertwassers Regentag". In dem Film sagt er: "Wenn ich male, träume ich ja. Das ist so, wenn der Traum zu Ende ist, erinnere ich mich nicht mehr an das, was ich geträumt habe, das Bild aber bleibt. Es ist das Resultat des Traumes, aber ich kann den Ursprung des Traumes nicht mehr entdecken. Also wenn der Maler nicht mehr völlig erstaunt ist über das, was er malt, dann ist es kein gutes Bild, denn ich selber möchte mich von meinen Bildern überraschen lassen. Ich möchte ständig meine eigenen Bilder entdecken. Dadurch schalte ich einen Teil meiner Persönlichkeit aus, es kommt dann von ganz wo anders, d.h. ich schalte meinen Intellekt aus, um etwas anders wirken zu lassen, das von ganz weit her kommt, ganz, ganz weit her kommt", (Zitat:S.138).


Ich zitiere diese Aussagen Hundertwassers nicht grundlos, denn ich glaube hier offenbart er sich als Künstler, der sich bewusst ist, dass künstlerisches Können jenseits der philosophischen Denke Descartes verortet ist.

Seit ich in Darmstadt erstmals von Hundertwassers Freude am Regen (.."wenn es regnet, bin ich glücklich, und wenn es regnet, weiß ich, dass mein Tag beginnt."), habe ich begriffen, dass der Regen die Farben in der Natur einfach nur schöner macht, das Grün vor allem intensiver. Kein Grund also traurig zu sein. Hundertwasser fängt die Regentropfen in seinen Bildern auf und begeistert den Betrachter. Solche Bilder kann man auch im vorliegenden Buch bestaunen.


Gerne schaue ich mir fast zum Schluss des Buches sein Gemälde "Grüne Stadt" an und freue mich über seinen Satz : "Der Künstler hat in unserer Gesellschaft die wichtigste Aufgabe zu erfüllen, nachdem alle Sparten scheinbar Schiffbruch erleiden...Deswegen hat der Künstler dafür zu sorgen und dazu beizutragen, dass die Welt sich erneuert." (Zitat: S.172).

Hoffen wir, dass in Zeiten, der durch Andreas Hirsch ausgerufenen Renaissance Hundertwassers, viele Künstler, den von ihm vorgezeichneten grünen Weg gehen und auf diese Weise zur Wiedergeburt unserer Erde und des Guten in uns allen beitragen.
Empfehlenswert.

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Rezension:Blumen der Renaissance: Symbolik und Bedeutung (Gebundene Ausgabe)

Celia Fischer bringt den Lesern mit diesem reich bebilderten Buch die Symbolik und Bedeutung der Blumen auf Gemälden aus der Epoche der Renaissance nahe. Es geht konkret um die Blumendarstellung der europäischen Renaissancekunst des 15. und 16. Jahrhunderts, doch es wird auch auf das 14. Und 17. Jahrhundert zurückgegriffen, um den Kontext zu beleuchten.

Thematisiert werden: Der Renaissancegarten, Rosen, Lilien, Schwertlilien, Akeleien, Nelken, Tulpen, Mohn und Pfingstrosen, Goldlack und Levkojen, etwas Blaues, die Blumenwiese, Korbblütler, Narzissen, Veilchen und Stiefmütterchen als auch Disteln.

Man wird zunächst mit dem sogenannten Renaissancegarten vertraut gemacht, liest u.a. von den Vorstellungen des Florentiners Fra Angelo, aber auch von jenen des von mir hochgeschätzten Hieronymus Bosch, die er in seinem berühmten Triptychon zum Ausdruck gebracht hat.

Zur Sprache gebracht werden in der Folge die Gärten der nördlichen Renaissance und deren italienisches Pendant, bevor einzelne Blumen in den Fokus geraten, allen voran übrigens die Rosen. Weiße Rosen waren ein Symbol für Reinheit. Der Rosensymbolismus nahm zu aufgrund der großen Kathedralen, in die man im nördlichen Europa monumentale Glasfenster mit runden Mustern einbaute. Man erfährt, dass der Rosenkranz einen Komplex aus Rosenbildern verkörperte, liest Wissenswertes über Botticellis Rosen und hat Gelegenheit eine Manuskriptbroschüre aus dem 15. Jahrhundert zu bestaunen, die Rosen aus allen Blickwinkeln zeigt. Der Rosenroman der Franzosen Guillaume de Lorris und Jean bleibt nicht ausgespart, auch das Stundenbuch der hl. Elisabeth ist ein Thema sowie natürlich auch die Tudorrose. Rosensymbolik all überall, beeindruckend dargestellt und zu bewundern, aufgrund der schönen Bilder im Buch.

Es ist unmöglich, auf alle Blumen näher einzugehen. Die Schwertlilie wurde als Botin Gottes betrachtet und die von mir wegen ihres filigranen Aussehens geschätzten Akeleien als die Blumen der Melancholie. Man lernt immer wieder Buch-Bordüren kennen, auf denen diese Blumen eine Rolle spielen. Dürers Akeleistudie kannte ich bislang noch nicht. Sie stammt aus dem Jahre 1526 und man kann sie in Wien in der Albertina bewundern.

Man lernt Tapisserien mit gestickten Nelken kennen und kann den Kurfürsten Johann den Beständigen von Sachsen mit einem roten Nelkenkranz auf seinem Haupt bewundern, den er offenbar zu seiner Hochzeit trug.

Über Tulpen und deren Geschichte sowie deren Symbolik liest man Wissenswertes und hat Gelegenheit sich in Stillleben mit Tulpen zu vertiefen, bevor jene Blumen thematisiert werden, die mehr meinem Geschmack entsprechen. Gemeint sind Mohn und Pfingstrosen, die schon in der Antike für ihre schmerzlindernde Eigenschaft verehrt wurden, aber auch Goldlack und Levkojen.

Die vielen Abbildungen verdeutlichen, zukünftig bewusster auf die Blumen auf Renaissancebildern zu achten, besonders auf die Blumenwiesen, wie etwa bei Botticelli auf dem Gemälde "La Primavera", doch auch auf Frau Angelos "Noli me tangere".

Dürers "Das große Rasenstück" wird näher erläutert und man liest auch Wissenswertes zur Symbolik der Ringelblume, ferner der Narzissen, Veilchen und Stiefmütterchen und hat die Chance, sich auf Abbildungen einen visuelle Eindruck von dem, was man liest, zu erhalten.

In Hieronymus Boschs "Garten der Lüste" sind Erdbeeren eine Frucht der Versuchung und auf alten Wandteppichen stellen diese Früchte ein Symbol der romantischen Liebe dar.

Letztlich künden Blumen und Früchte in der Renaissance - und das macht dieses Buch deutlich- von der Freude an der Natur und der Begeisterung dafür, deren Geheimnisse zu lüften und sie genau darzustellen.
Ein sehr informatives, vor allem aber sehr schönes Buch.

Empfehlenswert.

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Rezension:Magritte von A - Z (Gebundene Ausgabe)

"Magritte A-Z" beinhaltet über 200 Meisterwerke des bedeutenden, belgischen Surrealisten René Francois Ghislain Magritte (1898-1967). Die Herausgeber dieses Buches sind Christoph Grunenberg und Darren Pih. Es handelt sich dabei übrigens um den Ausstellungskatalog zur Ausstellung "René Magritte. Das Lustprinzip", die vom 9.11. 2011- 26.2.2012 in der Albertina in Wien gezeigt wird.

Anders als bei üblichen Ausstellungskatalogen gibt es eine Fülle von Texten, in denen der Vielschichtigkeit des Lebens und des Werkes des Malers nachgespürt wird.

Dem Nachschlagewerk von A-Z sind die Abbildungen seiner Werke beigefügt.

Unter dem Buchstaben A findet man u.a. das Wort "Anonymität" und sein Gemälde "Gollconda", 1923. Man erfährt, dass die dort abgebildeten Männer mit Melone im Zusammenhang mit seiner allgemeinen Auseinandersetzung mit der Darstellung von Anonymität, etwa in "Die Liebenden", 1928 stehen, als auch späteren Fassungen des Werks, wo die Gesichter in weiße Tücher gehüllt sind und weiteren Werken, die näher dort benannt werden, (vgl.: S.23.)

Unter dem Begriff "Belgien" liest man u.a. das der Künstler zu der Brüsseler Gruppe von Surrealisten zählte, die sich 1926 gebildet hatte. Was man unter "Surrealismus und Surrealisten" zu verstehen hat, liest man auf Seite 202. Die Brüsseler Surrealisten unterschieden sich von den Pariser Surrealisten und besonders von Breton dadurch, dass sie Musik liebten und sie in Schriften wie "Correspondance"(näheres zum Begriff Seite 52) förderten, (vgl.: S. 203).

Nachdem man die Erläuterungen zu dem Begriff "Bildfragmentierung" gelesen hat, versteht man seine Gemälde "Die Übungen der Akrobatin" und "Die weiße Rasse" besser.

Interessantes auch findet sich unter dem Begriff "Erotik". Magritte assoziierte das Erotische mit einem Ja zum Leben, durch ein intensives Erleben von Lust, die zur Motivation des Schaffens wird, (vgl.: S.66).

Mein Lieblingsbild von Magritte "Die Liebenden" ist im Buch doppelseitig abgelichtet. Die psychologische Deutung auf einer der Folgeseiten finde ich bemerkenswert.

Man liest von der Bedeutung der zumeist nackten "Frauenkörper", die sich in vielseitiger Form durch sein Schaffen ziehen, aber auch von Magrittes Vorlieben im Bereich "Philosophie" und "Poesie".

Es ist ganz unmöglich über alle Begriffe im Buch hier kurz etwas zu sagen. Wie Mosaiksteine fügen sie sich zu einem Bild zusammen, das das Werk Magritte begreifbarer macht.

Auf einem der Bilder sieht man einen Philosophen mit einem Löwen in einem Zimmer. Vielleicht wurde Sibylle Lewitscharoffs aufgrund dieses Bildes von Magritte zu ihrem Roman "Blumenberg" inspiriert. Ich halte dies für sehr wahrscheinlich.

Nicht zu vergessen der Begriff "Lust". Magritte plädierte für eine "Herrschaft der Lust" durch das Vermeiden von Unlust und entsprach damit Sigmund Freuds "Lustprinzip". Dessen Theorie der Sublimierung findet bei Magritte ein Pendant in der Transformation und Metamorphose, (vgl.S.120).

Auf den letzten Seiten hat man übrigens Gelegenheit, sich mit der Kurzbiographie Magrittes zu befassen.
Empfehlenswert.

PS: Das von Amazon gezeigte Titelbild ist nicht idententisch mit dem Titelbild auf dem Buch. Hier werden nämlich "Die Liebenden" gezeigt.

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Rezension:Perugino - Raffaels Meister (Gebundene Ausgabe)

Dies ist der Katalog zu Ausstellung "Perugino- Raffaels Meister", die vom 13.10.2011 bis zum 15.1.2012 in München in der Alten Pinakothek gezeigt wird.

Neben dem Katalog der ausgestellten Werke und einer mehrseitigen Auflistung der Fakten zu diesem italienischen Renaissancemaler, der der Hauptmeister der sogenannten "Umbrischen Schule" und der Lehrer Raffaels war, beinhaltet dieses Buch fünf Essays, die sich mit diesem Künstler und seinem Werk näher befassen. Bei den Essays handelt es sich um:

"Il Perugino: Ein umbrischer Klassiker in Florenz"- Andreas Schumacher

"Die wahre Methode ihrer Ausführung. Peruginos Landschaften und das Naturideal des Humanismus"- Annette Hojer

"Loggia und Zentralbau. Bildarchitektur im Werk Peruginos"- Jens Niebaum

"Vasari und Perugino. Geschichte einer Verleumdung" Rudolf Hiller von Gaertringen

"Die Immunität Raffaels. Lehre, Nachahmung und Wettstreit in der Begegnung mit Piotro Perugino"-Matteo Burioni

Es führt zu weit, auf die einzelnen Essays näher einzugehen. Im Essay von Anette Hojer, der sich mit Peruginos Landschaften und dem Naturideal des Humanismus befasst, erfährt man u.a. Wissenswertes zur zeitgenössischen Kunstanschauungen, genauer zu Savanarola und zum Florentiner Neuplatonismus.

Erwähnen möchte ich die vielen Fußnoten zu den Essays, die bereits Rückschlüsse auf den wissenschaftlichen Anspruch der Texte zu lassen. Trotz dieses Anspruches sind die Texte allerdings auch für den Laien bestens zu verstehen.

Sehr gut erläutert werden die Gemälde im Katalog, wie etwa "Die Vision des hl. Bernhard", "Büßender hl. Hieronymus", "Hl.Sebastian" und viele andere mehr.

Am meisten beeindruckt hat mich das Gemälde "Christus mit der Dornenkrone", das Perugino zugeschrieben ist. Obgleich müde und leer, trifft der Blick des Gepeinigten den Betrachter, (vgl.: S. 224). Der Blick ermahnt dazu in, sich zu gehen und über das eigene Tun nachzudenken.

Ein gelungener Katalog, empfehlenswert.

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Rezension:50 jüdische Künstler, die man kennen sollte (Broschiert)

Edward van Voolen stellt in diesem Buch 50 jüdische Künstler aus den letzten 200 Jahren vor. Zunächst allerdings erläutert er sehr aufschlussreich, was man unter dem Begriff "Judentum" zu verstehen hat. Wissen muss man, dass es in der zeitgenössischen Kunst keinen typisch jüdischen Kunststil gibt, sondern dass jüdische Künstler in allen möglichen Kunstbewegungen der modernen pluralistischen Gesellschaft eine wesentliche Rolle spielen, wissen sollte man auch, das im heute erneut aufkommenden Nationalismus und Fundamentalismus prophetische Träume von Frieden und Gerechtigkeit für einige namhafte jüdische Künstler in ihren Bildaussagen von Bedeutung sind, (vgl.: S.14).

Man lernt jeweils ausgewählte Werke der einzelnen Künstler anhand von farbigen Abbildungen kennen. Die Bilder werden textlich sehr gut erklärt. Des Weiteren erfährt man im Rahmen von Kurzbiographien Näheres über die einzelnen Künstler.

Bei den Künstlern handelt es sich um: Moritz Daniel Oppenheim, Solomom Alexander Hart, Jozef Israels, Camille Pissarro, Max Liebermann, Isidor Kaufmann, Maurycy Gottlieb, Lesser Ury, Samuel Hirszenberg, Arnold Schönberg, Otto Freundlich, Maurycy Minkowski, Amedeo Modigliani, Marc Chagall, El Lissitzky, Ossip Zadkine, Man Ray, Jacques Lipchitz, Reuven Rubin, Chaim Soutine, Jankel Adler, Mordecai Ardon, Issachat Ryback, Ben Shan, Louise Nevelson, Mark Rothko, Felix Nussbaum, Barnett Newman, Lee Krasner, Morris Louis, Charlotte Salamon, Larry Rivers, Nancy Spero, Sol Lewitt, Dani Karavan, R. B.Kitaj, Menashe Kadishman, Zelig Segal, Ilja Kabakow, Jim Dine, Eva Hesse, Moshe Gershuni, Richard Serra, Micha Ullmann, Jonathan Borofsky, Grisha Bruskin, Michal Naaman, Anish Kapoor, William Kentridge und Sigalit Landau.

In wenigen Sätzen wird jeweils zu Beginn der Künstlerporträts versucht, die Geisteshaltung des fokussierten Künstlers auf den Punkt zu bringen. So liest man bei dem von mir hochgeschätzten Max Liebermann(1849-1935) einen Ausspruch, den er 1933 machte als die Nazis durchs Brandenburger Tor marschierten: "Ich kann nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte."

Über den polnischen Künstler Samuel Hirszenberg (1865-1905) liest man, dass er für seine Darstellungen jüdischen Leides bekannt sei und er durch seine Bilder versuchte jüdisches Selbstbewusstsein zu wecken.
Dass Amedeo Modigliani (1884-1920) Jude war, war mir bislang nicht bekannt, wohl aber, dass er einer der bekanntesten Künstler des frühen 20. Jahrhunderts war und wie jüngst an anderer Stelle ebenfalls gelesen, in Montmartre und Montparnasse Künstler aus aller Welt, darunter auch mehrere Juden kennenlernte. Berühmt wurde er übrigens wegen seiner Gemälde und Skulpturen sinnlicher, verführerischer Frauen, deren mutmaßliche jüdische Erotik, ebenso zum jüdischen Selbstbewusstsein, wie auch zur Pariser Moderne passte, (vgl.: S. 53).

Einer meiner Lieblingsmaler, Marc Chagall (1887-1985), wird sehr gut porträtiert. Man erfährt nicht zuletzt auch, dass Chagalls Werk die menschliche Liebe und das jüdische Leben in den "Schtetln" feiert. Bei ihm verbinden lebhafte Farben und abstrakte Formen mit Motiven aus der traditionellen Volkskunst Osteuropas die künstlerischen Höhepunkte seines umfangreichen Oeuvres, (vgl.: S. 57).

Es führt zu weit alle Künstler im Rahmen der Rezension hier kurz zu streifen. Die Werke des in Ausschwitz ermordeten Felix Nussbaum (1904-1998) werde ich demnächst im Rahmen einer Rezension näher beleuchten, denn ich habe bei den Notizen zur weiterführenden Literatur, die jedem einzelnen Porträt beigefügt worden sind, gesehen, dass es einen Ausstellungskatalog zu seinen Werken gibt. Seine Werke spiegeln seine persönlichen Erfahrungen von Exil und Flucht, Ausschluss und Einsamkeit, Tod und Zerstörung wieder, (vgl.:93). Er soll wie kaum ein anderer die Vorahnung des Grauens ausdrucksstark dargestellt haben.

Die Marginalisierung und Verfolgung des jüdischen Volkes und schließlich die Ermordung von sechs Millionen Juden durch die Nazis spiegeln sich natürlich in den Bildern jüdischer Maler bis ins Heute wieder, in den Farben und in den Formen, in dargestellter Ohnmacht, Melancholie und Depression. Nur bei Chagall ist alles anders. Er lässt seine Menschen tanzen und sich in die Lüfte steigen, lässt sie schweben und fliegen. Er feiert der Realität zum Trotz auf seinen Bildern die menschliche Liebe und war in meinen Augen nicht nur ein begnadeter Maler, sondern auch ein unglaublicher Hoffnungsträger.

Empfehlenswert.

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Rezension:Havanna - Michael Eastman

Der Fotograf Michael Eastman hat gemeinsam mit der Autorin Achy Obejas und der Fotografiekritikerin Vicki Goldberg diesen traumhaften Bildband mit Impressionen von Havanna auf den Weg gebracht.

Achy Obejas hat das Vorwort verfasst. Hier schreibt sie eingangs, dass sie gleich beim ersten Mal, als sie auf Eastmans Fotos stieß, von "der Stille und den Geistern" dort beeindruckt war. Die kubanische Hauptstadt Havanna wurde 1515 gegründet und wirkt laut Obejas in Eastmans Bilderwelten abwechselnd wie Madrid, Sevilla, Paris, Leningrad, Harlem, Lagos und Beirut. Dem kann ich nur bepflichten.

Der Fotograf durchstreifte auf vier Reisen zwischen 1999 und 2010 die Insel, öffnete mit "Charme, Bitten und Geld" die Türen, die ihm an sich nicht offen standen und "hielt mit seiner Kamera die Zeit an".

Vicky Goldberg schreibt zum Ende des Buches in ihrem Essay, dass die exquisit verfallenen Räume nicht nur vom Geschmack oder der Klasse der einstigen Bewohner erzählen, sondern auch vom Sturz der Erfolgreichen und Reichen durch die Revolution und der Tatsache, dass das Land anschließend von seinen sowjetischen Unterstützern im Stich gelassen und von den USA boykottiert worden sei. Dennoch begreift Eastman seine Bilder als unpolitisch: "Wahrscheinlich, weil ich kein Recht habe, ein politisches Statement abzugeben. Ich verstehe die Fotografie vom Herzen her, nicht vom Kopf, und je weniger Wirrwarr, desto freier fühlt mein Herz",(Zitat: S.130).

Goldberg weist darauf hin, dass die leidenschaftliche Liebe der Menschen Havannas zu Farben- als könnten große Mengen von Grün und Türkis, Rot, Blau und Mattgold die Seele nähren - ein unverzichtbarer Teil ihrer Geschichte sei. Sie zitiert Eastmann, der erklärt, es gäbe wenig Wandfarbe in Kuba. Aus diesem Grunde werden die Wände nicht gestrichten. Die Farbe sei nicht selten fünfzig Jahre alt. Schön seien die Farbtöne, weil sie unberührt geblieben sind und die Lage am Meer, Salz, Feuchtigkeit sowie die grelle Tropensonne wirkten auf die verschiedenen Schichten, die allmählich von Wind, Wasser, Sonne, Zeit, Zufall und Menschenhand freigelegt werden, (vgl.: S.131). Auch das stimmt.

Es führt zu weit, den ganzen Essay inhaltlich wiederzugeben. Gesagt werden kann, dass man die Bilder besser begreift, wenn man den Essay gelesen hat.

Das schöne Morbide kennt man in anderer Form auch aus Venedig oder im Herbst, wenn die Blätter fallen. In Havanna ist der Verfall enorm fortgeschritten. Man bangt bei jedem Foto, ob der nächste Tag nicht schon das Ende für einen der abgelichteten Räume bedeutet. Ich zwinge mich, alle Bilder unpolitisch zu betrachten und mich ausschließlich am morbiden Schönen zu ergötzen. "Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis". Goethe hat Recht, wie so oft.

Auf einem der ersten Bilder sieht man einen herrschaftlichen Raum, die Farbe an den Wänden ist abgeblättert. Eine chinesische Porzellanvase wirkt beinahe neu. Ob der Raum noch bewohnt ist, bleibt offen, wie bei den meisten der gezeigten Räume, allerdings lassen einige Kleinigkeiten darauf schließen, dass es Bewohner gibt. Wie viel kubanische Musik muss man hören, um den abblätternden Putz und den Schimmel nicht mehr zu sehen?

Nein, es hat mich nicht belustigt, die frisch gewaschene Wäsche in einem heruntergekommenen Salon hängen zu sehen, an dessen Decke ein schwerer, kostbarer Lüster prangt. Erneut fällt mir Goethes Sentenz ein: "Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis".

Etwas Neues entsteht nur dort, wo das alte absolut tot ist. Hier in Havanna ist es nicht tot, es vegetiert, kann nicht sterben, sondern verfault und verwest am lebendigen Leib. Alle Bilder mache das deutlich.

Es fällt mir schwer, mich an der morbiden Schönheit zu weiden. Ich gebe zu, ich kann es nicht. Der Verwesungsprozess ist eine Zumutung für die Bewohner.

Wer wohnt heute in diesen alten Patriziergebäuden? Die Häuser sind vermutlich bewohnt, man ahnt es aufgrund von Kleinigkeiten (Blumen, Bücher, Schallplatten) auf den Bildern. Lieben die Menschen ihre Stadt? Würden sie lieber die morbide Pracht, durch neue zeitgemäße Häuser ersetzen, wenn sie die Mittel dazu hätten? Was sind die Reichen dieser Welt dem Weltkulturerbe schuldig? Fehlt ihnen die Liebe, um für den Erhalt der alten Gebäude zu kämpfen?
Empfehlenswert.

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Rezension: Surrealismus in Paris (Gebundene Ausgabe)

Vor mir liegt der Ausstellungskatalog zur gleichnamigen Ausstellung "Surrealismus in Paris", die vom 2.10.2011 bis zum 29.1.2012 in der Fondation Beyeler, Riehen in der Schweiz gezeigt wird.

Das Buch enthält eine große Anzahl aufschlussreicher Essays und Texte von Kennern des Surrealismus, wie etwa Philippine Büttner, Julia Drost und Marlene Schneider. Es erklärt umfassend, was man unter dem Begriff Surrealismus zu verstehen hat und wartet mit über 100 Meisterwerken aus berühmten Museen und Privatsammlungen auf.

Sehr lesenswert finde ich den Essay "Wenn Bilder die Welt verändern könnten" von Robert Kopp. Hier auch liest man, das André Breton immer wieder betont hat, dass der Surrealismus eine Antwort auf den ersten Weltkrieg gewesen sei, den Ersten und den Zweiten, (vgl.: S.23). In diesem Essay thematisiert er Kunst und Politik und Kunst und Revolution, aber auch Kunst und Exil, denn Breton hat fünf Jahre im amerikanischen Exil zugebracht. Hier fühlte sich der Begründer des Surrealismus sehr isoliert. Seine wohl wichtigste Stütze war Peggy Guggenheim, für die er unter dem Titel "Art of The Century" den Katalog ihrer Sammlung erstellte, für die sie unter dem gleichen Namen am 20 Oktober 1942 in New York mit einer Galerie kombiniertes Museum eröffnete, (vgl.: S26).

Man liest hier über die Manifeste des Surrealismus, gemeint sind neben Flugblätter, offene Briefe und Pamphlete, eine typische Gattung der Avantgardebewegung. Breton hat einige Manifeste verfasst, die die Grundlage seiner Poetik, seiner Kunsttheorie und Lebensphilosophie bilden. Kopp berichtet Wissenswertes über die einzelnen Manifeste und man hat sogar Gelegenheit in das handschriftliche Original des 2. Manifests Einblick zu nehmen.

Man lernt die berühmte Illustration aus Bretons "Nadja" kennen. Eine Schlange möchte vier Augen und zwei Herzen verschlingen. Ein Rezensent schreibt in seiner Rezension zu Nadja (Bibliothek Suhrkamp): "Die Phantasie bezwingt die Wirklichkeit, sie zwingt sie, über sich hinauszugehen; sie ist das Jenseits im Diesseits." Genau das kommt in dem Bild zum Ausdruck. Wer ist die Schlange? Ist sie die Phantasie?

Lesenswert auch ist der Essay von Oliver Wick zu Joan Miro und beeindruckend sind die Bilder Miros im Buch. Man erfährt, dass Miro eine gespaltene Haltung zu Bretons Bewegung einnahm. Das wird durch die Realität des Bildes deutlich, die kämpferisch gegen die surrealistische Vereinnahmung antritt, (vgl.: S.56).


Marlen Schneider schreibt in ihrem Essay Erhellendes zu Max Ernst. Die Gemäldeablichtungen im Buch finde ich sehr beeindruckend, besonders "Lecons obsures", 1929, ein Bild, das ich bislang noch nicht kannte.

Es führt zu weit, auf alle Künstler im Buch einzugehen und alle Essays inhaltlich zu durchstreifen, geschweige denn, den Versuch unternehmen zu wollen, alle Bilder und Objekte hier zu interpretieren. An anderer Stelle interpretierte ich bereits Dalis "Objet scatologique à fonctionnement", ein Objekt, das auf mich sehr inspirierend wirkt.

Man lernt Wissenswertes zur Sammlung Simone Collinet durch den Essay von Julia Drost kennen, wird auch mit den entsprechenden Gemälden vertraut gemacht und kann sich dann in die Sammlung Peggy Guggenheim vertiefen, über die man in dem Essay Philipp Ryland aufgeklärt wird. Sehr beeindruckt bin ich hier von Paul Delvauy "Laurore", auch von Picassos "Composition au Minotaure", der den erotisierten Mann in seiner ganzen Hilflosigkeit vortrefflich darstellt.


Gemälde des von mir hochgeschätzten Renè Magritte sind auch dabei. Ulf Küster meint diesbezüglich, dass Magrittes Botschaft möglicherweise in dem Gedanken, alle Kunst sei surreal, bestanden habe.

Ich staune über die Vielfalt der Sammlung Peggy Guggenheim, darunter auch eines meiner Lieblingsbilder von Sali "Métamorphose de Narcisse". Das Gemälde wird von Philippe Büttner hervorragend beschrieben.

Zum Schluss hat man Gelegenheit sich in den Essay "Die Ausstellung als Werk" von Annabelle Görgen zu vertiefen und sich des Weiteren mit der Schmucksammlung CLO Fleiss zu befassen, wie auch sich durch die Chronologie des Surrealismus einen sehr guten Überblick über diesen zu verschaffen.

Der Katalog begeistert mich so sehr, dass ich am liebsten sofort in die Schweiz reisen möchte, um die Originale zu bewundern.

Empfehlenswert.

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Rezension:Frauen in Gold - Musen und Modelle des Malers Gustav Klimt (Gebundene Ausgabe)

Dr. Dörthe Binkert ist die Autorin dieses wirklich gelungenen Buches mit dem schönen Titel "Frauen in Gold", das sich mit den Musen und Modellen des Malers Gustav Klimt befasst. Bei diesem Buch handelt es sich um das dritte Buch zum Thema Klimt, das ich rezensiere. Es enthält die qualitativ bislang besten Abbildungen und zudem hervorragende textliche Betrachtungen, die mit der Einleitung "Eine Welt voller Frauen" ihren Anfang nehmen.

Klimt malte Frauen, doch wir wissen nicht, ob er sie auch liebte, denn er hat sich dazu nie geäußert. Begehrt hat er sie, verrät uns Dr. Binkert. Vielleicht blieb er deshalb Junggeselle..., müßig darüber nachzudenken. Fest steht, dass er in der Wahrnehmung und in seinen Darstellungen des Weiblichen einen Nerv getroffen hat, weil sich ansonsten die Frauen von heute schon lange nicht mehr für die Bilder Klimts interessieren würden, (vgl.: S.13)

Die Autorin berichtet zunächst über das Leben des am 14. Juli 1862 in Wien-Baumgarten geborenen Künstlers, der gemeinsam mit anderen Neuerern in der österreichischen Kunstszene 1897 die "Wiener Session" gründete. Klimt war zu Lebzeiten bereits ein hochbezahlter Künstler. Für seine Porträts erhielt er
10 000 Kronen, wobei (nur zur Veranschaulichung) eine Villa mit Inventar 40 000 Kronen kostete, (vgl.: S.16).

Ich sehe davon ab, die Biographie Klimts an dieser Stelle in Kurzform wiederzugeben, sondern möchte mich stattdessen lieber mit seinen Musen und Modellen befassen.

Dr. Binkert schreibt, dass Klimts erotische Attraktivität, die er offenkundig besaß, eine Steigerung dadurch erfuhr, dass sich bei ihm Kraft und Männlichkeit mit Sensibilität und Raffinesse verbanden, (vgl.: S.39). Wie auch immer, Klimt wurde von dem liberalen Bürgertum, speziell den Damen nicht nur seines künstlerischen Könnens wegen hochgeschätzt und er hielt seine Mäzeninnen, Sammlerinnen und Musen in repräsentativen Bildnissen fest.

Die wichtigste von allen war Emilie Flöge, von der auch Fotos vorliegen und über die man Näheres im Buch erfährt, so auch über das Bildnis aus dem Jahre 1902, das sie selbst nicht mochte.

In der Folge lernt man sowohl textlich, vor allem aber auf Bildern seine Mäzeninnen und Auftraggeberinnen kennen und wird Kapitel für Kapitel mit wunderschönen Damen vertraut gemacht.Ob dieser Künstler sie "alle hatte", will ich gar nicht wissen, kann es mir aber vorstellen.:-))

Zwischendrin erfährt man, dass Klimt eine Unzahl von Aktzeichnungen hinterlassen hat, die Frauen in provozierender Nacktheit und intimsten Posen zeigen. Die Autorin vermutet, das Klimt sich mit unersättlicher Neugierde in den weiblichen Körper und seine Erogenität hineinzuversetzen versucht habe, so als könne dieser große Erotiker in unbegrenzter Weise die männliche und weibliche Lust gleichzeitig genießen, in Besitz nehmen und sich hineinbegeben, (vgl.:S.86).

Sehr aufschlussreich schildert Dr. Binkert die einzelnen Gemälde, natürlich auch die grausam Schönen, wie "Judith I." nebst ihrer vernichtenden Seite der Weiblichkeit.

Klimts namenlose Modelle aus der Wiener Vorstadt und seine erotischen Gemälde und Zeichnungen bleiben nicht ausgespart, auch die Nixen und Wasserschlangen und all die anderen bezaubernden Frauengemälde nicht.

Im zehnten und letzten Kapitel lernt man nicht nur das berühmte Gemälde "Der Kuss" näher kennen, sondern auch das wundervolle Allegoriebild "Diesen Kuss der ganzen Welt". Dieses Bild beeindruckt mich am meisten, weil es am aussagekräftigsten ist. Hier übersteigt die Liebe den einzelnen in seiner Individualität, hier ist die Liebe ein Menschheitsgeschehen, (vgl.:S.146).

Eine wahre Freude für Liebhaber schöner Bilder und eloquenter Kunstinterpretationen.

Empfehlenswert.

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