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Rezension: Michelangelo- Georgia Illetschko

Dieses Kunstbuch von Georgia Illetschko befasst sich mit dem italienischen Bildhauer, Maler, Architekten und Dichter Michelangelo Buonarroti (6. 3. 1475-18.2.1475). Das reich bebilderte Buch ist nicht als kunstwissenschaftliche Rezeption des Renaissancekünstlers gedacht, sondern der Autorin geht es darum, den Menschen und dessen individuellen Blick auf sein Werk, sein Umfeld und seine Zeit in den Vordergrund ihrer Betrachtungen zu rücken.


Bevor man zum Inhaltsverzeichnis gelangt, kann man sich über viele Seiten hinweg zunächst in Sentenzen und auch zwei Gedichte des großen Meisters vertiefen und sich verschiedener Abbildungen einzelner Werke erfreuen. Unter diesen Abbildungen finden sich auch zwei Detailansichten seiner Mamorstatue des David von 1501/1504, die ich in meine Rezension eingebunden habe und dabei völlig fasziniert von dem formvollendeten Gesäß Davids bin. Das ist Erotik pur.

Von den Sentenzen, die ich zu Beginn des Buches gelesen habe, berührte mich nachstehende am meisten: "Die Schönheit hängt vom Endzweck ab. In den Elementen, die sich ihrem Zweck oder ihrer Bestimmung am besten anpassen, sieht man die Schönheit am stärksten hervorleuchten"(Michelangelo). Lange habe ich über diesen Satz nachgedacht und bin zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Sentenz es genau auf den Punkt bringt und dies nicht nur für den Stein, aus dem eine Skulptur entstehen soll, gilt.
Das Buch ist untergliedert in:

Einführung:-Io, Michelangniolo Buonarreto

Skulptur: Die Kunst des Wegnehmens-Michelangelo und der Stein

Malerei und Graphik: "Ich bin hier nicht amPlatz, noch bin ich Maler."

Architektur: Im Dienst des Schöpfers- Michelangelo als Architekt

-Biographie und Werksübersicht

-Standort wichtiger Werke

-Literatur

-Register.

Die umfangreiche Einführung beginnt mit dem letzten Brief, den der 89jährige Michelangelo verfasste. Trotz seiner schwindenen Kräfte ist der Greis noch bei klarem Bewusstsein und erfreut sich des guten Marzolino-Käses. Man erfährt in der Folge, dass für den Künstler

dynastisches Denken von Bedeutung war. Das zeigt sich u.a. bei den brieflichen Anweisungen, mit denen er über die Jahre hinweg die für den Weiterbestand der Familie entscheidende Brautsuche seines Neffen Lionardo lenkte, (vgl.: S. 38).

Michelangelo wirkt vordergründig ein wenig pfennigfuchserisch, wie man Aufzeichnungen entnehmen kann. Illetschko allerdings meint, dass es eigentlich eine rührende Achtung von kleinen Dingen sei "Eine Liebe zum Leben in profaner Form", die schließlich doch noch die Freude am Irdischen spüren lassen, als der hohe Stil der "offiziellen" Gedichte und Briefe bereits beinahe nur noch Seelenpein, Weltverdruss und die Sehnsucht nach dem Jenseits besang, (vgl: S. 39).

Man erfährt weiter, dass es kaum Selbstzeugnisse gibt, die den Künstler glücklich oder gar zufrieden zeigen. Zu seiner Natur soll ein lebenslanges Jammern, Nörgeln, sich selbst und seine Sache schlecht reden, gehört haben. Die Ursache dessen sei ein zutiefst abergläubischer Zweckpessimismus gewesen, mittels dem er Neid und das Unheil bannen wollte, in dem er es ständig benannt habe, (vgl.: S. 40).

Man erfährt, dass er ab 1506 einen Großteil seiner Honorare in Immobilien, die ihm als sichere und profitable Anlage erschienen sind, investierte, die er mit straffer Hand verwaltete. Obgleich es in seiner Familie eine Menge Zwistigkeiten gab, liebte er diese, allerdings mehr als Idee, wie man auf Seite 40 liest. Seinen Angehörigen gegenüber legte er die standesbewusste Distanziertheit einer Respektperson an den Tag, während er sich in den 1530er und 1540er Jahren in der Kumpanei der Männerfreundschaften mit Künstlerkollegen, Dichtern und Intellektuellen, die philosophischen Tiefgang ebenso zuließen, wie das platte Witzereißen, sehr wohl gefühlt hat, (vgl. S. 41).
Die Autorin unterstreicht, dass der sauertöpfische Sonderling, der von den zeitgenössischen Biographen Ascanio, Condiv und Vasari gezeichnet wurde, nur eine von Michelangelos Identitäten aufgriff. Es war, wie schon erwähnt, eine Art Schutzschild gegenüber seinen Konkurrenten. Als er ab 1520 zum absoluten Fürsten der Kunst mutierte, erfüllt er keine Aufträge mehr, sondern erwies von da an die Gnade seiner Kunst nach Gutdünken.

Im Kapitel, das sich mit Bildhauerei befasst, erfährt man gleich zu Beginn, dass Michelangelo darunter verstanden hat, was Kraft Hinwegnahme geschieht und das jenes, das durch

Hinzugabe geschehe, der Malerei gleiche. Es werden in diesem Kapitel einzelne Skulpturen gezeigt und besprochen, darunter auch sein "David", der geprägt ist von Ehrgeiz, Größe und Siegesgewissheit, (vgl.: S. 73). Für Michelangelo ist das eigentliche Kunstwerk bereits im Stein enthalten und büßt möglicherweise nichts ein, wenn es nicht vollständig freigelegt wird. Der Künstler arbeitet sich in Unerbitterlichkeit des individuellen Steins hinein und arbeitet die Figur aus einem Stück heraus.


Man liest von seinem Können als Maler. Dabei kann man sein berühmtes Deckenfresko der Sixtinischen Kapelle bildlich in seiner Gesamtheit bewundern. Auf einem Einzelbild (siehe Buchdeckel) schwebt Gottvater, von Engeln getragen und von dem vom windgeblähten Weltmantel hinterfangen, heran und erweckt Adam zum Leben.

Über seine Fähigkeiten als Architekt wird man auch sehr gut aufgeklärt. Den erste größere architektonische Auftrag Michelangelos stellte 1515 die Gestaltung der Fassade von S. Lorenzo in Florenz dar. 1546 übernahm er die Bauleitung von St. Peter in Rom, die erst nach seinem Tod vollendet wurden.

Beeindruckt hat mich die doppelseitige Abbildung des Innenraums der Medicikapelle, an der Michelangelo von 1520 bis 1534 arbeitete, aber noch mehr die Kuppel des Petersdoms, deren Tambourzone den Originalplänen Michelangelos folgte.

Die Bibliographie und Werksübersicht ist sehr anschaulich und verdient ein Lob.

Dieses Buch empfehle ich all jenen gerne, die nicht nur etwas über das Werk Michelangelos, sondern auch über den Menschen erfahren möchten.


Bilder: Mit freundlicher Genehmigung des Prestel Verlages-

Das rezensierte Produkt ist überall im Handel erhältlich.


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