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Rezension: Albrecht Dürer -Norbert Wolf



"Was aber die Schönheit sei, daß weiß ich nit." (Dürer)


Von den vielen Kunstbüchern, die ich gelesen habe, ist mir dieser Prachtband von Norbert Wolf am wichtigsten. Dies hängt damit zusammen, dass Albrecht Dürer mein Lieblingsmaler ist und ich von der Schönheit und Qualität des Buches einfach überwältigt bin. Das Buch wird durch einen edlen Schuber geschützt. Der Einband zeigt Albrecht Dürers "Selbstbildnis im Pelzrock", das ich Gelegenheit hatte, schon vielmals in München in der Alten Pinakothek zu bewundern. Albrecht Dürer (21.5.1471- 6.4.1528) war ein schöner Mann mit großen künstlerischen Fähigkeiten. Der begnadete deutsche Maler aus Nürnberg war auch Zeichner, Holzschneider und Kunsttheoretiker, er war also demnach ein intellektueller Maler und das wird an vielen seiner Kunstwerke deutlich.

Auf den ersten Seiten hat man die Möglichkeit, sich doppelseitig in Abbildungungen des Holzschnittes "Die apokalyptischen Reiter", um 1497/98, des Aquarells "Blaurackenflügel", um 1500 oder 1512, sowie in das "Bildnis einer Venezianerin", 1506, zu vertiefen und sich Dürers berühmtem Aquarell "Feldhase" zu erfreuen. Dürers "Selbstbildnis als Akt" (1500-1505), das ich im Original im Schloßmuseum in Weimar bewundert habe, beschließt den ersten Eindruck im Hinblick auf seine künstlerischen Fähigkeiten, bevor man das Inhaltsverzeichnis lesen kann.

Das Buch ist untergliedert in:

-Vorwort
-Einführung
-Lehr- und Wanderjahre
-Die Signatur des Genies
-"...wie wird mich nach der Sonne frieren"
-Zwischen Pflicht und Kür
-Meisterwerke der späten Jahre
-Der Theoretiker
-"Von seiner herrlichen Kunst sind alle Lande erfüllt"
-Katalog der erhaltenen Gemälde
-Literatur.

Es ist mir unmöglich, alle Kunstwerke, die im Buch abgelichtet sind, an dieser Stelle zu erwähnen. Im Kapitel "Lehr- und Wanderjahre" sind u.a. seine Eltern Albrecht und Barbara Dürer zu sehen. Sein Vater war Goldschmied. Dürer trat 1485 in die Goldschmiedewerkstatt seines Vaters ein. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin gab er ihn 1486-68 zu Michael Wohlgemut in die Lehre, den er 1516 porträtierte. Das Bildnis ist auf Seite 35 zu sehen. Dürer wurde bei Wohlgemut technisch sehr vielseitig ausgebildet, nicht zuletzt eignete er sich die Kenntnis des spätgotischen Formgutes an. Der junger Nürnberger wurde auch mit der niederländischen Kunst vertraut gemacht und lernte die Arbeiten des zu seiner Zeit bedeutensten deutschen Kupferstechers, Martin Schongauer, kennen.

Ostern 1490 begab sich der angehende Maler und Grafiker auf Wanderschaft. Ziel seiner Reise war zunächst Colmar, wo Schongauer lebte. Über seinen Reiseweg gibt es keine genaueren Informationen, allerdings weiß man, dass Basel eine wichtige Station seiner Reise war. 1493 verließ Dürer Basel. In Straßburg hat er sich anschließend aufgehalten. Hier auch ist ein Selbstbildnis (S.51) entstanden, das ich sehr mag.

In Nürnberg heiratete er 1494 Agnes Frey, die Tochter des Kupferschmiedes und Musikers Hans Frey. Dies hinderte ihn allerdings nicht daran, im Herbst des gleichen Jahres nach Italien zu gehen. Der Ausbruch der Pest in Nürnberg soll das Motiv gewesen sein, (vgl.: S.53). Aufgrund seiner topographischen Aquarelle ist es möglich, die Reiseroute sehr gut zu verfolgen. Im Buch hat man diesbezüglich Gelegenheit, zwei Ansichten von Innsbruck kennen zu lernen.

Dürer lernte in Venedig die Brüder Bellini kennen, die für ihn in der Folge zu Vorbildern wurden. Als er schließlich wieder in Nürnberg war, eröffnete er seine eigene Werkstatt. Begeistert bin ich, dass man Dürers "Das große Rasenstück" gleich mehrfach im Buch zeigt. Auf einer Doppelseite kann man dieses wunderbare Aquarell sogar nah sehen und beobachten, wie akribisch der Künstler beim Malen der Gräser vorgegangen ist. All die Grüntöne der Blätter und die zarten Wurzeln bilden ein Stück Ewigkeit ab.

Der Holzschnitt "Rhinocerus"aus dem Jahr 1515 ist übrigens auch doppelseitig abgelichtet. Sehr fantasievoll gemalt.

Man liest in der Folge der Apokalypse. Es ist das früheste bebilderte Buch, das ein Künstler auf eigenes Risiko entwarf. Dürer wählte den Holzschnitt als Medium für biblische Zyklen und für Einzelblätter mit religiösen, mythologischen und allegorischen Themen, (vgl.: S.81ff). Bildlich nachzuvollziehen an: "Die Heilige Familie mit der Libelle"(S.82), "Die Marter des Evangelisten Johannes"(S.85), " Johannes erblickt die sieben Leuchter"(S.87), " Johannes vor Gottvater und den Ältesten" (S.89), "Die apokalyptischen Reiter" (S.91), "Die Eröffnung des fünften und sechsten Siegels"( S.93), "Vier Engel, die Winde aufhaltend/Die Versiegelung des Auserwählten" (S.95), "Die sieben Posaunenengel" (S.97), "Der Engelkampf" (S.99), "Johannes, das Buch verschlingend/ Der starke Engel" (S.101), "Das Sonnenweib und der siebenköpfige Drache" (S.103), Michaels Kampf mit dem Drachen" (S.105), "Das Tier mit den Lammhörnern"(S.107), "Lobgesang des Auserwählten im Himmel"/Anbetung des Lammes (S.109), "Das babylonische Weib" (S.111) und "Der Engel mit dem Schlüssel zum Abgrund"( S.113).

Interessant auch ist der Kupferstich "Vier nackte Frauen"(S.121), den ich als Dürers eindeutiges Ja zur körperlichen Liebe werte. Der kleine Kupferstich "Die Hexe"(S.123) soll die antike Venus in eine "deutsche" Wetterfurie verwandeln, (vgl:S. 121).

Dessen ungeachtet wurden Madonnen zum Thema einer großen Anzahl von Dürers Gemälden. Das individuelle Porträt gewann am Anfang und Ende von Dürers Schaffenszeit Bedeutung. Der Maler suchte die ideale Schönheit seit 1500 immer tiefer zu ergründen. Er wurde zu einem Hauptverfechter einer von "göttlichen" Harmonien und Porportionen bestimmten Ästhetik. Dabei soll er allerdings die künstlerisch-praktische Anwendbarkeit nie aus den Augen verloren haben, (vgl.:S 137).

Im Spätsommer 1505 wütete in Nürnberg erneut die Pest, auch dieses Mal brach Dürer nach Italien auf und kehrte im Januar 1507 zurück. Seine Erlebnisse schildert er in zehn (erhaltenen) Briefen, über deren Inhalt man im Buch (S.138) kurz informiert wird. In Nürnberg erwarb er - bereits anerkannt und wohlhabend - das Eigenrecht am Haus seines 1502 verstorbenen Vaters und 1509 das Erbrecht am späteren "Dürerhaus".

Dürer gehörte der "Humanistischen Tafelrunde" an und schuf Werke in enger Zusammenarbeit mit den Humanisten für diese.

Man liest u.a. von der Darstellung des menschlichen Körpers. Bei seinem "Weiblichen Rückenakt", (S. 158/ 159) geht von diesem noch eine sexuelle Wirkung aus, das ändert sich etwa ab 1500. Von da an wird der Sexus bei ihm domnestiziert, (vgl.: S. 161).

Ein Thema im Buch sind Dürers Kaiserbilder. Das Bildnis Maximilians I., das ich bei einer Ausstellung in Wetzlar im Original sah, ist im Buch doppelseitig abgelichtet. Die Kupferstiche "Der Reiter (Ritter, Tod und Teufel" (S.175) und seine "Melencolia I" (S.178) werden näher erörtert und man erfährt, dass Vasari in seinen Viten Dürer als einen"universellen Mann" bezeichnet hat.

Über seine große Begabung Porträts anzufertigen, liest man ab S. 192 und kann sich u.a. in das "Männliche Bildnis vor grünem Grund", 1497/98 vertiefen.

Man erfährt im Rahmen des Kapitels "Theoretiker" Näheres zu seinen Betrachtungen im Hinblick auf Schönheit. Er soll hartnäckig nach der idealen Schönheit gesucht haben, meinte allerdings, dass man eine mathematische Formel nicht als Norm einziger und höchster Schönheit begreifen dürfe, sondern als ein Kriterium einer relativen, bedingten Schönheit, (vgl: S 221). Zum Schluss artikulierte sich diese Relativität in 26 Proportionstypen. Dürer schrieb ein Lehrbuch der Malerei die "Vier Bücher von menschlicher Proportion", das 1527 auf den Markt kam. Dazu Näheres auf den Seiten 211 ff. Ein Jahr später verstarb er.

Im Katalog der erhaltenen Gemälde (ab S. 224) kann man sich nicht nur der Abbildungen von Dürers Kunstwerken, wie "Das Bildnis einer jungen Venezianerin", 1505 (S. 251), erfreuen, sondern erfährt zudem auch auch Wissenswertes über diese Werke. Interessant finde ich die Erklärungen zum "Jabach-Altar", den ich im Buch das erste Mal in seiner Gesamtheit sehe, obschon mir die einzelnen Flügel aus unterschiedlichen Museen bekannt sind und ich die "Zwei Musikanten"(Außenseite eines Flügels), die man in Köln im Wallraf-Richards-Museum bewundern kann, am liebsten mag.

Ich bedauere, dass ich nicht intensiver auf die vielen Kunstwerke im Buch eingehen kann. Alle haben es verdient, näher beleuchtet zu werden. Dürer ist und bleibt für mich der bedeutendste Maler Deutschlands. Das Buch ist eine Quelle von Schönheit, die Dürer gewiss gefallen hätte.

Sehr empfehlenswert.

http://www.randomhouse.de/Buch/Albrecht-Duerer-Werkverzeichnis-der-Gemaelde/Norbert-Wolf/e318337.rhd

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