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Rezension: Mannsbilder Gabrielle Thuller

"Mannsbilder- Faszinierende Männer" von Gabrielle Thuller hat mich vom Titel her bereits aufhorchen lassen. Ich schlug das Buch auf und durfte sofort den schönsten Mann des letzten Jahrtausends bewundern. Gezeigt wird ein Abbild von Michelangelos "David". Schon vor Jahrzehnten habe ich bedauert, dass gerade dieser Mann aus Marmor ist, doch anders hätte der Schöne von Florenz sicher seine Jugend im Laufe der Jahrhunderte nicht bewahren können.

Die Autorin thematisiert anhand von berühmten Gemälden den erotischen Mann, jenen der küsst, tanzt und verführt, den Kavalier alter Schule, den Ehemann, Vater, den arbeitenden Mann und berühmte Männer etc.

Ihre Bildinterpretationen habe ich mit großem Interesse studiert, sei es nun Albrecht Dürers "Selbstporträt im Pelzrock", Jacques-Louis Davids "Hektor", der nach Ansicht der Autorin sehr maskulin wirkt aufgrund seiner Muskelpartien, die den Eindruck von Virilität und Stärke vermitteln oder Théodore Géricaults "Homme nu renversé". Der französische Schriftsteller Denis Diderot (1713-1784), sagte im Hinblick auf einen nackt dargestellten Körper zu Malern: "Wenn man malt, muss man alles malen? Habt Erbarmen und lasst eine Lücke, die meine Fantasie ausfüllen kann." Recht hatte er.



Man lernt ein Gemälde eines schönen schlanken Mannes von David Hockney und die Rückeansicht eines nackten Mannes von Lucian Freud kennen. Besonders gut gefallen haben mir die Bilder und Texte in den Rubriken "Verführung und Galanterie - mit und ohne Wein" und "Tanz in der Stadt und Tanz auf dem Land." Die Gemälde von Renoir interpretiert Thuller hervorragend, ebensogut die Gemälde Klimts zum Thema "Glückseligkeit der Liebe und doch ganz nah am Abgrund". Mit Vergnügen las ich die Interpretation zu "Klimts"(Allegorie der) Liebe": "Mann und Frau bemerken nicht, was um sie herum vorgeht. Zusehr sind sie miteinander beschäftigt. Der Mann ist in Gedanken ganz intensiv bei der Frau. Er blickt ernst und konzentiert auf ihre Lippen, ihre geschlossenen Augen, in ihr Anlitz. Versucht er darin zu lesen? Oder will er sich ihrer ewigen Liebe und Treue versichern?" Was ist vollkommene Hingabe? Kann sich ein Mann einer Frau vollkommen hingeben? Klimt dokumentiert in seinen Gemälden, dass ein Mann dazu in der Lage ist. Klimt musste es wissen, die Damenwelt seiner Zeit liebte ihn nicht grundlos.

Gelungen sind die Interpretationen der auf Bildern dargestellten Bohemiens und Dandys. Man liest, dass in Zeiten Oscar Wildes, dem Schönen, Bizarren, Außergewöhnlichen gefrönt und Verachtung für alles Niedere gepflegt wurde. Eine Gemälde von Boldini, "Robert de Montesquieu" und eine Porträtaufnahme Oscar Wildes zeigen, wie ein Dandy sich kleidete und welchen Habitus er an den Tag legte.

Vor geraumer Zeit habe ich eine DVD-Dokumentation zu Hogarths Werken rezensiert und muss lobend feststellen, dass Thuller einige dessen Werken ganz hervorragend interpretiert hat.

Vermeers Gelehrtenbilder liebe ich und habe mich gefreut, dass diese zur Sprache kommen. Abgebildet sind "Der Astronom" und "Der Geograph".

Zu Spitzwegs "Bücherwurm" habe ich gestern eine Abhandlung in einem Buch aus dem Jahre 1967 gelesen und mit der von Thuller verglichen. Thullers Betrachtungen gehen mehr in die Tiefe. "Man bekommt den Eindruck, er (Spitzweg) habe den Bücherwurm mit heimlichem Vergnügen gemalt, als eine Art Rache an den Intellektuellen, den Wichtigtuern, den Besserwissern seiner Zeit. Der Künstler mit dem Blick für skurille Situationen nimmt hier auf hintergründige Weise die Wissenschaftler aufs Korn", (Zitat: Seite 99). So sehe ich das auch.

Holbeins "Die Gesandten" habe ich vor vielen Jahren im Original bewundert. Damals befand sich das Bild in der Gemäldegalerie des prächtigen Schlosses von Arundel. Heute hängt es, wie ich lese, in der National Gallery in London. Die Bildinterpretation ist wirklich gelungen. Bravo.

Es ist unmöglich über all die Betrachtung hier etwas zu Papier zu bringen. Gabrielle Thuller ist es mit ihrem Buch gelungen anhand berühmter Kunstwerke das Kunstobjekt "Mann" dem Leser näher zu bringen. Mein erklärter Liebling bleibt Dürer. Vor seinem "Selbstporträt im Pelzrock" stand ich in der Pinakothek in München schon oft sehr lange und habe es angelächelt, in der Hoffnung dass Dürer zurücklächelt und mitunter meine ich, er hat es für einen Augenblick tatsächlich getan:-))



Ein sehr gutes, sehr eloquentes Buch, mit vielen hochwertigen Gemäldedarstellungen.




Das besprochene Produkt ist überall im Handel erhältlich.




Mannsbilder: ©2010 belser verlag, AKG-images S. 102




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